Samstag, 5. September 2020

Mein kleiner Schatten ist weg

 Als ich ein Bild von Dir bekam, war mein erster Gedanke: "Oh, der sieht ja aus, wie mein Traumkater!"

Schwarz, flauschig, dickes Fell, nicht grazil, dafür robust.





Als ich das erste mal hier war, hatten wir eine Verbindung, verstanden uns und ich hatte das Gefühl, dass Du für mich da bist.

Wenn Deine Schwester Dich verprügelte, gab ich Dir Schutz.

Als sie von uns ging, war ich die ganze Zeit für Dich da, so dass Du kaum alleine sein mußtest.





Wir haben uns alles geteilt!

Wenn wir gegessen haben, hast Du Dein Stück Käse bekommen und bist zu Deinem Napf getapst, um mit uns zu essen.

Wenn ich auf dem Sofa lag, meinem Kissen, im Bett, sonst wo, dann kamst Du dazu, hast Dich zu mir gelegt, Dich flauschen lassen und mich dafür geputzt.





Wir sind nach und nach zusammengewachsen und ich wußte, Du warst nicht weit weg, immer in meiner Nähe.

Selbst wenn Du eigentlich gerade keine Lust hattest gestreichelt zu werden und ich Dich darum bat doch kurz herzukommen, dann kamst Du in Reichweite, ich durfte Dich einmal streicheln und dann erst bist Du weiter gegangen, egal wie wenig Bock Du hattest.

Du hast mir Ruhe gelehrt, zu entspannen und einfach mal nichts zu tun. Da sitzen, streicheln, nichts tun und das war so schön!





Ich habe Dir die Räuberleiter beigebracht, die für viele Lacher sorgte und Dich mutiger werden lassen, Dir mehr Vertrauen geschenkt.

Du bist der erste Kater den ich kennen lernen durfte, der mit Papiertüten Musik machte! Ganz leise Töne, Deine eigene Komposition, jede Bewegung mit viel Bedacht gewählt.





Und dann kam die Zeit, in der ich mich als Verräterin fühlte, das Vertrauen schrumpfte, weil ich der böse Mensch war, der mit Dir zum Tierarzt ging, der Dir tatenlos zusah, wie sie Dich festhielten, während Du gepiekst wurdest oder andere Dinge gemacht wurden. Den Blick, den Du mir dabei zugeworfen hast, werde ich nie vergessen. Ich kam mir schrecklich vor, als würde ich Dich ausliefern, dabei wollte ich nur das Beste für Dich, Hilfe.

Hilfe, damit Du gesund wirst, es Dir besser geht, was leider nicht möglich war.

Eine Abwärtsspirale und ich versuchte die Geschwindigkeit zu drosseln.

Wir haben Dir so viel verschiedenes Futter gekauft, auf der Suche nach dem Einen, was Du gerne frisst und trotzdem wurde Dein Appetit immer kleiner.

Wir haben Dir heimlich versucht Leckerlies und Käse zu geben, damit wenigstens irgendwas in Deinem Bäuchlein landet, aber nichts wolltest Du noch.

Ich sagte dem Arzt ganz stolz, dass Du wenigstens die kleinen Stangen frisst und ich dort Deine Tabletten rein stecke und als hättest Du es verstanden, hast Du auch davon keine mehr gefressen.

Ich rief doch nur beim Arzt an, um zu fragen, was passiert, wenn Du Dein Medikament nicht mehr bekommst, weil Du nichts mehr fressen magst und der Satz: "Dann kommen Sie lieber gleich vorbei, es wird ja nicht mehr besser werden." war ein Schlag in meine Magengrube.

Wir waren nicht bereit Dich gehen zu lassen, wir brauchen Dich doch noch!





Du bist doch unser bester Freund, immer da und selbst wenn man denkt, die ganze Welt ist gegen einen, hast Du gezeigt, dass es nicht die ganze Welt sein kann, weil Du an unserer Seite liegst, Dich kraulen lässt und einen ableckst, die ganzen blöden Gedanken und Erlebnisse ableckst und schon sah alles besser, rosiger und schöner aus und war wärmer.





Und jetzt?

Ich komme mir vor, wie die schlimmste Verräterin überhaupt. Hätte ich nicht angerufen... 

... aber so darf man nicht denken, weil Du gelitten hast, weil es Dir nicht gut ging, weil Du nur noch Deine Ruhe wolltest, Dich keiner anfassen sollte, Du nichts mehr sehen wolltest, nur Deine Ruhe haben wolltest und die haben wir Dir gegeben und ein Stück unseres Herzens hast Du auch mit auf die Reise bekommen.

Grüß die anderen dort oben, die andere Teile unseres Herzen mitbekommen haben und wir erwarten, dass Du uns begrüßen wirst, wenn unsere Zeit gekommen ist und uns damit den Abschied versüßt und leichter gestaltest.

Bis dahin denken wir an Dich, erzählen uns Geschichten von Dir, schauen weinend Deine Bilder an und stellen uns vor, wie Du woanders bist, uns beobachtest und uns maßregelst, wenn wir allzu sehr mit der Welt hadern, weil unsere kleine Pelzgurke fehlt, die uns zeigt, wie schön das Leben sein kann.





Hab' Dich lieb, mein kleiner Schatten, Du fehlst.