Donnerstag, 15. Dezember 2011

(M)ein Jahr ohne Darm

So, also jetzt ist es genau ein Jahr und 15 Tage her, dass ich meinen Dickdarm bis auf 12cm raus bekam, nein ich hacke nicht auf dem Thema herum, nur möchte ich es gerne nochmal Revue passieren lassen, für mich, für meine Familie, für Interessierte.

Wenn ich so nachdenke, im Prinzip wußte ich etwa seit meinem hmm 10. oder 11. Lebensjahr, dass ich Darmkrebs bekommen kann und dieses Wissen hat mich im Leben, beim leben extrem eingeschränkt, denn unterbewußt hatte ich permanent im Kopf das ich vielleicht garnicht mein Leben weit planen kann, vielleicht habe ich ja bereits Krebs und weiß es nur noch nicht!

Irgendwann etwa im Jahr 2009 wurde mir schlagartig klar, das ich wirklich nie weit vorraus geplant habe, das ich mir nie so Gedanken machte, wie mein Leben wohl in 10 Jahren oder so ist und das nur, weil ich immer im Kopf hatte "kann ja sein das du schon Krebs hast..."

Meine Mutter verstarb ja mit 40 Jahren daran, war über ein Jahr davor schon im Krankenhaus und etwa 4 Jahre davor wurde das erste mal Krebs diagnostiziert, also eigentlich recht wenig Zeit.

Nun sollte man meinen, wenn man so viel Angst hat, dann geht man zum Arzt, danach hat man Klarheit und Sicherheit und wenn wirklich was sein sollte, ist es natürlich besser behandelbar. Keine Ahnung warum, aber auch andere mit dem selben Gendefekt, die wie ich wußten das sie es haben können, haben die selben Probleme und gingen spät zur Untersuchung, oder nehmen wir meine Mutter, mein Vater sagte das sie wußte das sie vorbelastet ist, weil ihre Mutter zb auch schon daran verstarb und auch sie ging im Prinzip zu keiner Voruntersuchung.

Oder nehmen wir meine Schwiegermutter und das ist ein Punkt der mich wirklich fertig machte, auch sie ahnte das sie Darmkrebs hat und ging nicht zu Untersuchungen. Musste deswegen sehr viele Organe heraus bekommen, hat mehrere Chemo's machen müssen und so weiter.

Aber warum, wenn man es weiß oder ahnt, geht man nicht zum Arzt?

Jedenfalls bekam ich ja diese Salmonellen, die alles ins rollen brachten und aus heutiger Sicht bin ich so froh darüber! Hätte ich die Salmonellen nicht bekommen, wäre ich nicht zu meiner Ärztin, hätte diese mich nicht weiter überwiesen zu einer Spezialistin, hätte die sich nicht Sorgen gemacht, wegen meiner Vorgeschichte und mich genötigt ins Krankenhaus zu tuckern, sobald die Salmonellen weg waren!

Aber so kam ja alles genau richtig!
Ich hatte immer totale Panik vor einer Magen- und/oder Darmspiegelung, aber ehrlich, ich kann da jeden beruhigen, man kann es unter Narkose machen lassen und bekommt nichts mit, rein garnichts!!!
Man schläft ein, wacht später wieder auf, alles ist vorbei!

Je nach Spiegelung muss man davor abführen und das kann sich sogar lustig gestalten! Ich habe zwei mal im Krankenhaus abführen müssen, einmal vor den Spiegelungen, das andere mal vor der Op und beide male mit anderen Damen auf meinem Zimmer zusammen und beide male waren wir immer am Lachen, Scherze reißen, Sprüche klopfen, es machte wirklich Spaß!
Aber jetzt bin ich darin ein Profi, mache es zuhause, wenn ich zb meine Enddarmkontrollen habe und muss sagen, man wird gleichgültig. Man weiß wie es abläuft, man schmiert sich das Popöchen mit Babypopowundcreme ein, wird deswegen nicht wund und hat eine gute Auswahl an Büchern bereit liegen, fertig :)

Ich bin ein sehr ängstlicher Mensch, wenn es um Ärzte, Krankenhäuser, Untersuchungen geht, ehrlich, ein totaler Schisser und fimschig, mimösig bin ich auch noch. Wenn man aber offen damit umgeht, es erklärt und zeigt was man fühlt, bekommt man gute Reaktionen im allgemeinen. Die Ärzte nehmen viel mehr Rücksicht darauf als vor zig Jahren und beruhigen einen, nehmen die Ängste ernst und überspielen sie nicht, oder ziehen es ins lächerliche, alleine das half mir schon weiter!


Vor meiner großen OP hatte ich eigentlich nicht so sehr Angst, eher vor dem DANACH! Das war ein riesen Wort für mich. Das Leben DANACH!
Selbst als ich in den OP-Saal geschoben wurde hatte ich keine Angst, nur mein Mann, der mit Tränen in den Augen mich verabschiedet hatte, hatte mir zugesetzt, es ist viel schlimmer wenn andere Angst um einen haben...

Ich hatte Angst das ich nichts mehr richtig essen oder trinken kann, ich hatte Angst das ich Schmerzen habe, ich hatte Angst das sie irgendwoanders Krebs finden und mehr heraus nehmen müssen, ich hatte Angst das ich Komplikationen danach bekomme, ich hatte Angst das ich nicht mehr so unbedacht leben kann wie zuvor...

Als ich in den OP-Saal geschoben wurde, war nicht genau klar was ich bekomme, es gab 3 Optionen.
1. künstlicher Ausgang
2. vorübergehender künstlicher Ausgang mit Pouchanlage
3. Restdickdarm

Als ich nach der OP wach wurde, tastete ich als erstes meinen Bauch nach einem Beutel ab, aber da war keiner zu finden, jedoch war ich so benebelt in der Birne, ich glaube ich hätte es eh nicht bemerkt... *lach*

Meine Heilung danach war ohne Komplikationen, alles lief bilderbuchartig ab, bis auf das mein Arm futsch ging. Klingt doof, war es auch!
Ich habe durch das Liegen übelste Schmerzen in der Schulter und im Arm bekommen, sogar meine Entzündungswerte gingen etwas hoch und ich wollte keinem sagen, das mein Arm so weh tut, weil ich dann hätte länger bleiben müssen, also artig die Schnauze halten und abwarten, kaum war ich aus dem Krankenhaus raus, bin ich am nächsten Tag zum Arzt... ich hatte eine Knochenhautentzündung im Arm oben an der Schulter.

Ich würde ja gerne schreiben das das Jahr schnell rum ging, aber das wäre gelogen. Bis heute hat sich mein Körper noch nicht ganz umgestellt.
Nehmen wir mal den Energiehaushalt.
Anfangs war ich natürlich etwas schlapp, aber einige Wochen später ging es wieder, wie vorher, den Sommer lang auch, aber dann fing es so im Spätsommer an, dass ich schlapper und müder wurde. Heute bin ich krank, ok, erkältet, aber vor der Erkältung war es auch schon so, dass ich den gaaaaaaaaaaanzen Tag schlafen könnte, aber danach bin ich ebenso müde wie vorher. Ich hatte ja schon daran gedacht, eine Schlafkrankheit zu entwickeln...

Oder das Essverhalten. Anfangs habe ich strickt darauf geachtet keien Körnchen, kein Blähgemüse, keine Kohlensäure, nichts saures, scharfes, oder stark würziges. Nach und nach testete ich allerdings durch und so weiß ich ganz gut was nun geht und was nicht. Körniges geht zur Not, macht aber einen wunden Po und wird eh nicht verdaut. Blähgemüse geht auch eigentlich, es kommt nur nicht auf den Bläh an, sondern die Balaststoffe, so geht zb Paprika, Blumenkohl, Rotkohl, Chinakohl garnicht, aber Kolrabi geht, weil nicht das Gas mein Problem ist, sondern das mich die Balasstoffe vom Gemüse wund machen und richtig weh tun, außerdem bekomme ich teilweise Bauchweh davon, ebenso von Mandarinen, Orangen und sowas, Saft geht aber und die eingelegten Mandarinen aus der Dose gehen auch.

Ach und ich habe eine Laktoseintoleranz bekommen, die aber ein paar Wochen weg war, nun ist sie wieder da, ich sollte das mal absprechen.

Essen tue ich eigentlich was ich mag, es gibt nur wenige, absolute No-Go's, die stören mich nicht so sehr und Kohlensäure habe ich bis heute nicht getestet.

Was mich viel mehr stört ist, wenn ich etwas esse das ich im Prinzip nicht verdaut bekomme zb einen schönen Salat, dann bekomme ich danach Probleme mit meinem Energiehaushalt, dann muss ich irgendwie andere schnell verfügbaren Zuckersachen zu mir nehmen uuuuuuund das ich Schokoschmiere für aufs Brot nicht vertrage nervt und Mohn!!! Ich liebe Mohn *schluchz

Jedoch wenn ich bedenke was ich anfangs für eine Liste hatte, was ich nicht essen darf und was davon nun doch geht, dann bin ich wirklich, wirklich froh und zufrieden!
Selbst wenn ich mal auswärts essen gehe und dann Laktose drin habe, nehme ich einfach eine Laktasetablette, fertig!

Die Veränderungen fallen mir auch garnicht mehr so auf wie früher, man gewöhnt sich wirklich daran.

Ebenso hatte ich furchtbare Angst vor den Enddarmkontrollen die alle drei Monate statt finden. Mir war es peinlich, unangenehm und wenn man ehrlich ist, ein wenig tut es auch ab und an weh. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sich daran gewöhnt und ja, ich habe bisher recht behalten!
Peinlich ist es mir immernoch, vielleicht nicht mehr soooo sehr, aber doch immernoch und der psychische Streß wird nicht weniger. Wenn Polypenknospen gefunden werden, dann habe ich dennoch Angst das ich Krebs haben könnte.
Ich habe einen superguten Arzt, dem vertraue ich extrem und er hält meine dummen Sprüche aus und lächelt immer lieb und erklärt mir alles in Ruhe und ach er ist spitze, ehrlich!
Vor der OP hat man ein Gespräch darüber was genau gemacht wird und so weiter und ich sagte direkt, ich mag so wenig wie möglich wissen, denn gemacht wird es ja so oder so, also brauche ich keine Details um Panik zu bekommen und daran hielt er sich super! Er sagte mir grob wie es gemacht wird und meinte dann, ich soll doch einfach Fragen stellen. Zwar war mein Mann eher geschockt von meiner Art, weil ich seine Fragen nicht alle beantworten konnte (er war beim Gespräch nicht dabei) aber es ging ja um mich und so bin ich eben :)

So, in diesem einem Jahr war ich öfter kurz davor zu sagen "Lass den letzten Darm raus machen, dann brauchst du keine Angst mehr haben, fertig, dann hast du diese ganzen blöden Untersuchungen vom Hals!" aber auch darüber habe ich mit meinem Arzt gesprochen. Er versicherte mir, wenn ich es umbedingt will, würde er nicht nein sagen, aber vorher noch einige Gespräche führen, um mich umzustimmen ;)
Es ist wohl wirklich ein großer Vorteil, wenn man noch ein wenig Restdickdarm hat, als wenn man keinen mehr hat, aber egal wie, wenn ich alt werde, werde ich wohl mit künstlichem Ausgang leben müssen, aber das stört mich nicht, denn viele alte Menschen auch ohne Gendefekt müssen das und schaffen es auch :)

Die größte Veränderung in diesem Jahr fand in mir statt... ich plane über Jahre, ich denke darüber nach wie es ist alt zu werden, aber eben ohne Krebs :)
Ich bin selbstbewußter geworden, habe zu mir gefunden, finde mich selber super, bin meistens zufrieden mit mir, habe zum Buddhismus gefunden, finde darin weiterhin Kraft und Halt, ich fühlte mich teilweise wie das hässliche Entlein, das zum Schwan heran wuchs, weil ich jetzt so bin, wie ich immer sein wollte/sollte.

In diesem Jahr bin ich ungemein gewachsen und wo ich davor schon stark war, bin ich stärker geworden, meine Psyche war schon immer recht belastbar, aber irgendwie kann mich nichts mehr erschüttern, zwar brauche ich mal ein wenig Zeit um etwas zu verarbeiten, aber der Kopf bleibt immer oben und der Gedanke "ach irgendwie wird das schon, ich weiß nicht wie, aber es wird, das Leben geht weiter :)" ist immer da, bei allen Situationen.

Nun haben 2 von meinen 3 Kindern vor ein paar Wochen Blut abgenommen bekommen für den Gentest, ich vermute das Ergebnis kommt im neuen Jahr und selbst dem sehe ich gelassen entgegen. Wenn es ein Kind hat, ist es zwar traurig, aber ich weiß jetzt am besten wie schlimm man sich das alles vorstellt und wie wenig schlimm es in Wahrheit ist! Vorallem, wenn man es so früh weiß, kann man noch soooo viel unternehmen, dass ich mir keine Sorgen mache, dass sie Krebs bekommen werden und selbst wenn irgendwann der Dickdarm größtenteils heraus muss, dann weiß ich, sooo schlimm ist selbst das nicht :)

Wenn man sein halbes Leben lang glaubt, man hätte vielleicht schon Krebs und wenn dann diese Last einem von den Schultern genommen wird, fliegt man, ich weiß nichtt wie lange, manchmal komme ich auch kurz auf den Teppich zurück, aber die meiste Zeit fliege ich, denn kaum etwas kann so erdrückend sein, wie die Angst früh, bald, in absehbarer Zeit sterben zu müssen...

5 Kommentare:

  1. Hut ab vor dir und deiner Einstellung. Ich hoffe deine Kinder sind gesund und du bleibst es auch.
    LG
    Petra

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  2. ach du schreck - bin echt geschockt...
    ich wünsch dir alles liebe, vor allem gesundheit!
    liebdrück eva

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  3. Hey du, ich hab dich auch gelesen. Herzlichen Glückwünsch nachträglich zum Geburtstag. :-D

    Jetzt kann ich ein wenig nachvollziehen warum du so früh ein Kind bekommen hast (wenn ich falsch liege dann sorry) und wie und wann du es zu solchen Fertigkeiten gebracht hast. Naja, Talent hab ich ja durchaus auch, nur keine Zeit. Was aber voll ok ist.

    Sag mal, nach dieser RiesenOP (was es ja ist, auch wenn du es super verkraftet hast was sicher auch daran liegt, dass du bewußt und ein ganzes Stück selbstbestimmt da reingegangen bist, wäre evtl. anders verlaufen wenn es notfallmäßig unvorbereitet geschehen wäre), hast du ne Ernährungsberatung. Also was ich meine, nimmst du irgendwelche Vitamine etc. zusätzlich ein, ich könnte mir vorstellen dass du da jetzt Aufnahmeschwierigkeiten hast. Wegen deiner Müdigkeit und so. Und überhaupt.

    Ich finds gut wie du dich jetzt siehst. Das kommt auch rüber. Auch wenn es etwas dauerte bis wir in Kontakt kamen (breit grins).

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  4. Huhu erstmal!

    Also nein deswegen bekam ich nicht so früh ein Kind, eher hing es damit zusammen, das ich frühreif war, da meine Mutter starb als ich 12 Jahre alt war und mein Vater gänzlich untalentiert in seiner Rolle war, somit musste ich ja früh erwachsen werden.

    Ich hatte die Magen- Darmspiegelungen Mitte Oktober, glaube war der 18 Oktober und meine OP war am 1. Dezember, also etwa 6 Wochen später. Mag jetzt lang klingen, aber für eine solche OP ist das ein minimaler Zeitrahmen, der entsteht, weil sie vorher den Gentest machen, ich sagte aber direkt, Darm raus, bitte sofort!

    Eigentlich hatte ich vermutet das ich nichts habe, ehrlich! Also klar dachte ich irgendwo immer ich habe es, aber als ich bei der Darmspiegelung wach wurde und auf dem Monitor meine verpolypte Darmwand sah, nicht vollkommen wach war, aber schon realisierte was ich da sehe, geriet ich in Panik, da, in diesem Augenblick war mir schon klar das die OP folgen wird. Sie haben mich dann nochmal schnell zum weiter schlafen gebracht, aber als ich wach wurde, verlangte ich sofort nach einer Ärztin und klärte es ab.

    Und nein, ich war bei keiner Ernährungsberaterin, weil sich hier im Krankenhaus erst darum gekümmert wurde (obwohl ich davor schon danach verlangte) als ich entlassen wurde, aber da ich nicht wegen einem Termin bei der Beraterin länger bleiben wollte, ging ich so heim. War eh unnütze, weil ich schon vorher, als ich wieder begann zu essen eine Beratung gebraucht hätte und keine bekam. Super war mein Mann, der sich Stunden lang ins Internet begab und heraussuchte, mühsam, was ich nun darf und was nicht, denn sonst hätte ich keine zwei Wochen im Krankenhaus gelegen, sondern wesentlich länger, wegen Komplikationen die durch falsches essen zustande gekommen wäre.

    Und nochmals nein, ich nehme keine Vitamine ein, eigentlich kann es sein das ich welche bräuchte, andere nehmen sie, aber ich müsste erst regelmäßig zu Blutabnahmen um heraus zu bekommen was mir genau fehlt und Dank meiner Nadelphobie, habe ich es bisher noch nicht gemacht. Selbst diese Vitamintabletten bringen ja nicht soooo viel, genug Gemüse und Co esse ich es, der Körper bekommt es ja nicht wirklich heraus gezogen, auch nicht aus Tabletten.

    Meine Vermutung ist das Wetter. Im Sommer war es ja wärmer, mein Körper musste also nicht so viel Energie aufbringen, um sich warm zu halten, also erm ich wandere dann mal aus ;)

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